Neoklassizismus – Monumentalstil – Zyklopenstil: Ein Trend unter den Reformbestrebungen war es, sich auf die Zeit um 1800 zu besinnen und dennoch etwas Neues zu wagen. Der Klassizismus, auf den man sich bezog, galt als letzter großer und umfassender Stil.
Der Klassizismus kam den Reformern entgegen: Im Rückgriff auf die Antike setzte er auf die Betonung der wesentlichen Elemente und eliminierte unwichtiges Beiwerk. Bewusstsein und Haltung, weg von der Beliebigkeit der damaligen Gegenwart mit ihren verschwenderischen Dekorationen, waren nach 1900 wieder gefragt. Junge Architekten strebten nach Klarheit: die Hierarchie von Wand und Dach, der Einsatz von Sockel und Gesims als horizontale Elemente, die Gliederung durch Säulen, Pilaster oder vertikale Mauerstreifen, das Drillingsmotiv, die Symmetrie von Eckausbildungen, Baukörpern und Risaliten, die Verwendung lediglich des Bauschmucks der klassischen Antike.
Industrieunternehmen, private Bauherren und manche öffentliche Auftraggeber erkannten die Chancen des Neuen sofort. Das systematisch-rationale Gestalten mit klaren Architekturelementen, eine immer weiter gehende Reduktion und Abstraktion war Voraussetzung für die Erfindung der Moderne. Aber auch die Steigerungen ins Monumentale, beispielsweise bei den im „Zyklopenstil“ errichteten Denkmalbauten, bereiteten den Aufbruch vor. Der Weckruf der jungen Neoklassizisten wirkte weit ins 20. Jahrhundert hinein.
„Eine eigentümliche Scheidung beginnt, … eine Scheidung zwischen Ingenieur und Architekt. Sicherlich gab es viele Aufgaben der Technik, die nur Sache des Ingenieurs sind, aber die Wichtigkeit … brachte es mit sich, dass der Ingenieur auch auf den Gebieten zu herrschen begann, die durchaus Sache der Baukunst sind. … Der Beruf spaltete sich nach Baumaterialien: Eisen und Beton wurden das Reich des Ingenieurs – Stein, Backstein und Holz blieben das Reich des Architekten.“
Fritz Schumacher, 1935