„Was mir am Kaiser gefällt, ist der totale Bruch mit dem Alten, und was mir an dem Kaiser nicht gefällt, ist das im Widerspruch dazu stehende Wiederherstellenwollen des Uralten.“
Theodor Fontane an Georg Friedländer, 1897
Der ‚Traum‘ vom Reich vereinigte das Neue und das ganz Alte in der Neuromanik. Mit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 suchte das Kaiserhaus Legitimation und ‚Corporate Identity‘ im mittelalterlichen Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Die Romanik wurde zum Bezugspunkt einer als ‚deutsch‘ empfundenen Architektur.
Mit immer größerer Perfektion stellte man Formsteine, farbige Glasuren und Zierwerk her. Gleichzeitig entstand eine immer präzisere Historiografie der Architektur, die als bürgerliches Bildungsgut den neugotischen Schaffensdrang bereicherte. Die mit der Industrialisierung aufsteigende, nach Freiheit strebende Bürgerschicht sah in der idealisierten Stadt des Mittelalters einen kulturellen Bezugspunkt. Deren gotische Architektur gab ihrem Ideal die architektonische Form.
Die Vielzahl neugotischer Gebäude verlieh besonders den rasant wachsenden Städten ein neues „historisches“ Gepräge. Das Spektrum reichte vom Rathaus bis zum Industriebau, von der Krankenanstalt bis zu ganzen Wohnzeilen der Gründerzeit. Zusammen mit den später aufgegriffenen historistischen Stilen findet man die neugotische Ziegelarchitektur kontinuierlich bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges.